Vielfalt leben, auch in der Werbung

Wir sind täglich bewusst und unbewusst einer riesigen Menge an Werbung ausgesetzt. Radio, Print, Fernsehen, Online. Werbung hat einen enormen Einfluss darauf, wie wir unsere Welt wahrnehmen, deswegen gilt einer der Forderungen des FVB der Werbung.

Bei Werbung geht es so wie bei anderen Medien des Massenkonsums auch um Erziehung. Und um Erwartungshaltungen. Mit dem, was wir senden, bauen wir in den Köpfen von Menschen Bilder, Muster, Fantasien auf, die beeinflussen, wie man sich verhält, oder glaubt, sich verhalten zu müssen. Diese Werbung sollte die Vielfalt unserer Gesellschaft, die Besonderheiten der vielen, vielen Menschen abbilden und keine Klischees aufbauen oder weitertragen. Klischees haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, dass sie Wahrnehmung beeinflussen, ohne dass man es so richtig merkt. Und man muss sich bewusst von ihnen verabschieden.

Ein spätes Aha-Erlebnis

Ich bin unter anderem mit Harrison Ford vulgo Han Solo, Indiana Jones oder Rick Deckard als Vorbild aufgewachsen. Ich habe mir gewünscht, so zu sein wie er. So verwegen. So rücksichtslos. Wie er Widrigkeiten trotzt, das Böse bekämpft und am Ende die Frau bekommt, sein Schicksal erzwingt, toll. Irgendwie hat es mich immer bissl gewurmt, dass ich nicht so bin, dass ich nicht rücksichtslos ein Nein in ein Ja umdrehe.

Aber natürlich sind diese Verhaltensweisen nicht erstrebenswert. Die Helden der Filme überzeugen Frauen davon, dass diese Frauen die Helden attraktiv finden sollen. Und viele dieser Charaktere, in vielen, vielen Filmen üben in Wahrheit eine Form von Nötigung aus. Diese Filme und ihre Fantasien wurden von Männern geschaffen, nicht nur im Kontext von #metoo ist das aus heutiger Sicht schwierig. Die Helden meiner Jugend sind keine Vorbilder für heute und Hollywood hat sich weiterentwickelt. Und bevor der Vorwurf der Zensur kommt: Nein, ich möchte diese Filme nicht verbieten, aber ich möchte sie im geänderten Kontext bewerten.

Was hat das mit Werbung zu tun?

Bei dieser tollen Aktion konnte man eine Brust-OP gewinnen. Ein Beispiel von vielen für sexistische Werbung.

Nun, Werbung erzählt natürlich auch Geschichten und baut Erwartungshaltungen auf. Wir sind täglich von Werbung, von Medien, von so vielen Eindrücken ausgesetzt, die einen großen Einfluss darauf haben, wie wir die Welt wahrnehmen, wie wir uns verhalten. Da sind wir wieder beim Punkt Erziehung.

Jedes Mal, wenn in einer Werbeagentur oder Marketingabteilung die Entscheidung für ein sexistisches Sujet fällt (zu Ungunsten der Millionen von Möglichkeiten, eine Marke oder ein Produkt anders zu bewerben), setzt sich ein Weg fort, der auch dazu führt, dass Frauen und Männer in unserer Gesellschaft auch heute nicht als gleichwertig angesehen werden. Denn mit diesen Sujets setzen wir Mädchen die Erwartungshaltungen in den Kopf, dass sie nur, wenn sie bestimmten Vorstellungen entsprechen, als schön oder erfolgreich wahrgenommen werden. Und Buben zeigen wir, wie sie Mädchen und Frauen zu bewerten haben. Diese Klischees werden auch außerhalb der Werbung fortgesetzt, wer schon mal Kleidung oder Spielzeug oder ähnliches für Kinder eingekauft hat, weiß, was gemeint ist. Mädchen sollen rosarote Prinzessinnen sein, Buben verwegene Abenteurer. Ja, es gibt Alternativen, aber man muss sie lange und aufwändig suchen.

Als jemand, der sein Geld mit Werbung verdient, weiß ich, wie oft es Vorschläge gibt, Sujets zu erstellen, die sexistisch sind, weil man vermeintlich glaubt, dass „Sex sells“ funktioniert und in der heutigen Gesellschaft Platz hat. Hat es schlicht nicht. Das muss auch in der Werbung ankommen.

Es gibt in Österreich einen Werberat, der für unpassende Sujets Strafen ausspricht. Man darf die Konkurrenz nicht direkt erwähnen und anpatzen, zum Beispiel. Gewaltverherrlichende Motive sind auch nicht gern gesehen, pornografische Inhalte ebensowenig. Es wäre wünschenswert, wenn der Werberat Möglichkeiten bekommen würde, sexistische Werbung möglichst stark einzugrenzen, vielleicht über Förderungen von geschlechterneutralen, pluralistischen Werbesujets.

Unabhängig vom Werberat gilt: Als Verantwortlicher, als Verantwortliche darf man sich auf die Eigenverantwortung berufen und sagen: Mit mir nicht. Wenn das viele machen, dann erledigt sich das Problem von selbst.

Geschrieben von Michael Knoll, Musiker, Autor, Werber, Vater

Die Forderungen im Detail

  • Verbot von Werbungen, Marketingstrategien und sonstigen kommerziellen Medieninhalten, die Menschen in abwertender, stereotyper und/oder sexistischer Weise darstellen
  • Gesetzliche Verankerung einer geschlechtersensiblen Ausbildung aller Pädagog*Innen mit bundesweit einheitlichen Standards und Evaluationsmaßnahmen, sowie staatliche Finanzierung und gesetzliche Verankerung von Institutionen und Beratungsstellen, die in diesem Bereich Schulungen, Aus- und Weiterbildung anbieten
  • Verbot der sexualisierten Darstellung Minderjähriger
  • Verbot von geschlechterdiskriminierenden und stereotypen Darstellungen in Kinder- und Jugendmedien, insbesondere in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen
  • Presseförderungsbonus für alle Medien, die sich in der Blattlinie zu einer geschlechtersensiblen, klischeefreien Berichterstattung bekennen

Mehr Infos zur Forderung „Vielfalt leben“