Muttertag

In Bezug auf den Muttertag hatte ich als Kind schon ambivalente Gefühle. Ich bin in einem kleinen Bauerndorf in der Nähe von Linz aufgewachsen. Und mir war bald klar, dass meine Mutter ganz anders war, als jene anderer Kinder. Meine Mutter trug Jeans und zog mir Glockenhosen und bestickte Blusen an.

Während ich im Religionsunterricht lernte, dass es viele Heilige gab und einen Gott, hörte ich bei meiner Mutter, dass das alles Blödsinn sei, Maria sicher keine Heilige und schon gar nicht Jungfrau sein könne. Während die anderen Mütter in ihren Rollen als Hausfrau aufzugehen schienen, Kuchen buken und brav beteten, machte meine Mutter den LKW Führerschein und hängte sich als Bäuerin rein. Ihr machte das sichtlich Spaß. Was ihr keinen Spaß machte, waren Elternabende und Elternsprechtage. Sowie Erstkommunionsfeste und mein Hang zu katholischen Feierlichkeiten generell. Sie schüttelte den Kopf, als ich in der Volksschule unbedingt mit Oma auf Wallfahrt nach Mariazell fahren wollte. Meine Zeit bei der katholischen Jugend hält sie mir heute noch vor. Sie rannte immer in Jeans herum und war die jüngste Mutter im Ort. Sie war gerade 19 Jahre alt, als ich zur Welt kam. Meine Schwester war zu diesem Zeitpunkt schon zweieinhalb. Meine Eltern waren so etwas wie Hippies, 68er, und die einzigen weit und breit, die trotzdem eine Landwirtschaft betrieben.

Ich weiß noch, als wir Mama vor dem Kindertheaterabend bekniet haben, sie möge doch bitte das schöne blaue Kostüm anziehen und sich bieder verhalten, wie die anderen Mütter. Sie trug am Ende das Kostüm, aber blieb selbstbewusst und laut. Sie sagte jedem, der es verdiente, ihre Meinung. Als Teenager habe ich mich oft geschämt, weil sie das so unverblümt machte.

Jetzt, als erwachsene Frau weiß ich, dass es meinen Kindern mit mir genau so geht. Auch sie schämen sich öfter, wenn ich meinen Mund nicht halte. So war auch der Muttertag mit meiner Mutter anders, als der der anderen Kinder. Sie ließ geduldig Sprüche und Gedichte über sich ergehen und nahm die Geschenke an, aber ich merkte schnell, dass sie darauf keinen Wert legte und den Muttertag seltsam fand. Sie war keine der Mütter, die sich unterordnete, bei uns führte sie das Kommando. Mein Vater war stets froh darüber.

Meine Mutter kann alles. Und was sie sich in den Kopf setzt, wird stets durchgeführt. Auch heute ist sie unkompliziert und lässt den Muttertag über sich ergehen. Jetzt als erwachsene Frau, verstehe ich sie natürlich umso besser. Diese furchtbaren Gedichte damals: „…wir waren nie gewaschen und meistens nicht gekämmt…“ Die Gedichte waren für sie immer am Schrecklichsten. Am Sonntag werde ich ihr wieder eines aufsagen, um sie ein bisschen zu necken und dann lachen wir wie immer viel darüber. Die Beziehung zu meiner Mutter ist gut. Sie ist auch eine tolle Oma. Ein Blatt nimmt sie sich auch heute nicht vor den Mund. Und dafür liebe und bewundere ich sie.

Beatrice Keplinger

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