Lasst sie arbeiten! – Gedanken zum Weltfrauentag 2018

Als die Bundesregierung vor ein paar Monaten die Arbeit aufnahm, wurde häufig gesagt: „Lasst sie arbeiten! Beurteilt sie nicht nach dem, was war, sondern an dem, was sie macht.“ Fair enough.

Kinderbonus neu, ein verstecktes Sparpaket und eine Katastrophe

Die Regierung schlägt vor, den Kinderbonus einzuführen. Das klingt in der Schlagzeile supa. „Hey, Bonus, cool!“ Es gibt hier nur gravierende Probleme:

Erstens wird die Möglichkeit, Kinderbetreuungskosten (Kindergartenbeiträge, wo sie nicht gratis sind, Schulen, Hort, Kurse in Ferienzeiten, …) abzuschreiben, gestrichen. Meine Tochter geht „gratis“ in die Schule, dieses gratis sind zum Beispiel ca. 160 € monatlich (die ich zur Zeit abschreiben kann). Da sich Österreich weiterhin weigert, Ganztagsschulen zu etablieren, müssen wir auf den Hort zurückgreifen, dieser ist nicht gratis. Dazu kommen noch Betreuungskosten in den Ferien (das alte Dilemma des Gaps zwischen Ferienwochenanzahl und Urlaubswochenanzahl) und diverse andere „Kleinigkeiten“. In meinem Fall konnte ich mir so ungefähr 1.200€ (pro Kind) zurückholen.

Das ist kein besonders hoher Betrag, man kann den noch „steigern“, wenn man noch mehr Kurse bezahlt, zum Beispiel, aber in meinem Bekanntenkreis ist das so ziemlich der Durchschnitt. Gerade zusätzliche Kurse sind eine fantastische Möglichkeit, für eine weitere, breite Bildung der eigenen Kinder zu sorgen, man muss sie sich halt leisten können. Die Möglichkeit, diese Kosten abzuschreiben, wird es nicht mehr geben, in Zukunft gibts den Kinderbonus (in meinem Fall 1.500€, also mehr, yeah!), aber eben nicht für alle und damit kommen wir zu

Zweitens: Dieser Kinderbonus ist gestaffelt, nach Einkommen und nach Kinderanzahl. Die 1.500€ pro Kind gibt es für Haushalte, die Brutto 3000€ oder mehr verdienen. Hat man als Haushaltseinkommen 1.500€ Brutto oder weniger, schrumpft der Kinderbonus auf 1.022€, bei 1.200€ Brutto auf 258€.

Und in diesem Bereich wirds gefährlich: Viele Alleinerziehende (meist Mütter) konnten bisher die Kinderbetreuungskosten abschreiben und konnten sich so ungefähr ein Monats-Netto-Gehalt zurückholen bzw. sparen, womöglich sogar mehr, wenn sie sich beispielsweise Kurse für ihr Kind / ihre Kinder leisten konnten. Das wäre mit der vorgeschlagenen Regelung nicht mehr möglich, die Betroffenen würden um einen großen Teil ihres Einkommens umfallen. Die Folgen wären fatal, für diese Personen, aber auch gesellschaftlich. Und es sind noch dazu überdurchschnittliche viele Frauen von dieser Politik betroffen.

Im Endeffekt bleiben die Armen arm, der Mittelstand profitiert bei genauerem Hinschauen eigentlich auch nicht wirklich (vor allem nicht, wenn man vorher auch Kursbetreuungskosten abgesetzt hat), die Reichen aber eh auch nicht, wenigstens.

Plakativ gesagt: Das Zurückholen der Kinderbetreuungskosten ist ab einem gewissen Einkommen ein Zuckerl. Ich kauf mir einen neuen Laufradsatz fürs dritte Fahrrad. Bei niedrigen Einkommen (und das ist weiterhin ein großer Teil unserer Gesellschaft) ist es existenzgefährend.

Ach so, und zum Thema verstecktes Sparpaket: Dazu reicht ein Blick in die Statistik und auf die durchschnittliche Geburtenrate in Österreich. Diese Maßnahme wird doch nicht womöglich noch ganz anders motiviert sein?

Kinderbetreuungskosten

Mit diesem Punkt eng verknüpft ist auch der Umgang von Kinderbetreuungsstätten, egal in welchem Alter. Das Thema Ganztagesschulen hatten wir bereits, die Position der in der Regierung sitzenden Parteien ist hinlänglich bekannt. Auch bekannt sind die Positionen, was Kindergärten angeht, es reicht ein Blick nach Oberösterreich, wo eine schwarz-blaue Koalition bereits daran arbeitet, Kinderbetreuung teurer und schwerer zugänglich zu machen, was natürlich dazu führt, dass mindestens eine Person im Haushalt (das ist vor allem für Alleinerziehende besonders spannend) sich um die Kinderbetreuung kümmern muss, weil es entweder nicht die entsprechende Infrastruktur gibt oder sie zu teuer ist. Dahinter steckt eine antiquiertes Familienbild und auch der Impuls „Na wenn man sich nicht um Kinder kümmern kann, dann soll man sie auch nicht kriegen“. Beides ist mit einer offenen, modernen Gesellschaft eigentlich nicht kompatibel. Es ist leider anzunehmen, dass diese Entwicklung auch auf den Bund ausgeweitet wird, deswegen betonen wir unsere Forderung nach dem Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten in ganz Österreich.

Clearingstelle im Parlament?

Wir haben Nationalratspräsidenten Sobotka bereits vor einigen Wochen gefragt, was mit der versprochenen Clearingstelle bezüglich sexueller Belästigung im Parlament passiert ist. Wir haben keine Antwort erhalten und die Stelle wurde auch weiterhin nicht eingerichtet. Schön langsam kommt der Verdacht auf, dass man vielleicht glaubt, man könnte diese Sache einfach unter den Tisch kehren, der Impuls dahinter könnte natürlich lauten „Österreich ist fortgeschritten, in Österreich gibts zu diesem Thema keine Probleme“. Dass wir im internationalen Bedarf großen Aufholbedarf in Sachen Frauenrechte und gleiche Chancen haben, das ist bekannt. Es ist schade, dass die höchste Instanz der Republik so tut als ob alles ok wäre, wir werten es als (weiteren) Ausdruck einer vergangenheitsorientierten Frauen- und Gesellschaftspolitik.

Wo wollen wir hin?

Die Regierung hat also zu arbeiten begonnen. Viele ihrer Vorschläge stehen im Gegensatz zu unseren Forderungen (und auch im Gegensatz zu vielen ExpertInnen*meinungen, egal ob national, international und zu welchem Thema). Die Forderung nach einer Verlängerung der Normarbeitszeit ist eine Schritt in die Vergangenheit, der Umgang mit dem NichtraucherInnen*schutz ist ein Schritt in die Vergangenheit und auch die frauen- und familienpolitische Vorschläge schauen ganz weit nach hinten.

Wir haben sie arbeiten lassen, wir haben uns angeschaut, was dabei herausgekommen ist und was dabei herausgekommen ist. Und wir halten fest: Diesen Weg halten wir für falsch. Das ist politischer Rückschritt, der auf kurze Sicht womöglich einer kleinen Elite hilft, aber in der großen Masse der Gesellschaft zu massiven Problemen führen wird. Das kann nicht im Interesse einer Österreichischen Bundesregierung sein.

Zum Weltfrauentag 2018 fordern wir also ein Umdenken, eine Auseinandersetzung mit den offenen Fragen in unserer Gesellschaft und ein Verabschieden von Lösungen, die schon früher nicht funktioniert haben.

Geschrieben Michael Knoll, Autor, Musiker, Vater